Staging
Seit meiner Transplantation sind jetzt schon 114 Tage vergangen.
Das klingt nach einem langen Zeitraum. So vorkommen tut es mir irgendwie nicht.
Man könnte grob sagen, dass ich in der Halbzeit angekommen bin. Klingt auch gleich viel besser.
Der Begriff Halbzeit bezieht sich hier auf den Zeitraum von dem man spricht, wenn man von der „Normalisierung“ des körperlichen und gesundheitlichen Bedingungen ausgeht. Natürlich gibt es hier keine Regel die besagt, dass nach Tag X alles wieder in Butter ist. Grob sagt, man dass nach einem halben Jahr das Gröbste durch ist und man sich langsam wieder normalen Umständen öffnen kann.
Praktisch heißt das, dass sich die Regeln im alltäglichen Leben lockern. Kontakt mit größeren Menschenmengen, der Umgang mit Lebensmitteln ist nicht mehr ganz so strikt Keimarm (evtl. mal wieder essen gehen), die hygienischen Voraussetzungen sind nicht mehr ganz so streng, die Anzahl der Medikamente wird reduziert, usw…
Abhängig ist dieser Zeitraum logischer Weise davon, wie der Verlauf der Anpassung an das neue Immunsystem vorangeht. In meinem Fall könnte man sagen, dass es soweit sehr zufriedenstellend verlaufen ist… bis Dato. Ja, natürlich hab ich auch so meine Schwierigkeiten, aber selbst die Problematik mit der GVH der Haut, welche ja nun per Photopherese behandelt wird, ist ja im Prinzip etwas dass mit einkalkuliert wird in den Verlauf dieser Anpassung. Die Ärzte sprechen hier ja tatsächlich von einem, gewissermaßen erwünschen Effekt. Sogar von einem guten Zeichen ist hier die Rede.
Um zu sehen, wie sich mein Transplantat so eingelebt hat und ob meine Grunderkrankung, das Mantelzelllymphom verschwunden ist, wird nach einem Zeitraum von ca. 90 Tagen ein sogenanntes Staging gemacht.
Diese Zustandsabfrage ist in zwei Elemente aufgeteilt.
Als erstes wurde zu am 04.10. eine Knochenmarkpunktion durchgeführt. Dies ist der eindeutig unangenehmere Teil.
Da ich da nach ca. fünf Punktionen schon so meine Erfahrungen gemacht habe und ich nach der Piesackerei mit Nadeln während der Photopherese gerade die Nase voll habe, hab ich mich dieses Mal dafür entschieden die Punktion nicht nur mit einer örtlichen Betäubung sonder auch mit einer Sedierung machen zu lassen.
Eine sehr gute Entscheidung. Man ist zwar nicht ganz weggetreten, vergisst aber was passiert ist.
Ich für meinen Teil bin dann immer recht gesprächig und quatsche fleißig vor mich hin. Wissen tue ich von dem Inhalt des Gesprächs nichts mehr, geschweige denn dass ich überhaupt etwas gesagt habe. Da erzählen mir dann immer die Schwestern und Ärzte. Ich möchte natürlich immer wissen was ich da so von mir gebe. Dieses Mal ging es um die Statistiken darüber, wie viele Patienten sich sedieren lassen und was es damit sich so aufsucht hat. Bei meiner ersten Punktion, ebenfalls mit Sedierung war z.B. das Thema Cuba Libre und dass der Eingriff jetzt doch wohl etwas länger dauern würde als sie dachten.
Nach einer Stunde Dösen im Bett mit einem Sandsack auf der Einstichstelle unter mir bin ich dann wieder voll da gewesen. Der Umstand, dass man danach erst einmal nicht Autofahren darf, ist für mich Derzeit eh nicht interessant, da ich mein Auto eh nicht benutzen darf. Vor der Transplantation hatte ich auf die Sedierung verzichtet, weil ich danach noch mit einem eigenen Auto nach Hause Fahren wollte/musste.
So konnte ich also vollkommen entspannt aufstehen und mich vom Taxi nach Hause bringen lassen.
Jetzt war mal wieder Warten auf die Ergebnisse angesagt. Im Schnitt dauert die Analyse der Punktionsproben 5-7 Tage.
Am 08.10. war es dann soweit. Die Ergebnisse der Punktion waren fertig.
Als erster Punkt war zu berichten, dass es dem Knochenmark prächtig geht. Quasi in Saft und Kraft stehend, wartend auf den 100% Einsatz seiner Fähigkeiten.
Fast noch wichtiger war allerdings die Tatsache, dass im Knochenmark keine Lymphomzellen mehr nachweisbar waren! Zwar wurde mir das von meinem Arzt in einem sehr beiläufigen Ton mitgeteilt, bei mir hallte diese Nachricht indes noch sehr lange nach. Endlich Gewissheit.
Die Beiläufigkeit resultiert hier aus der Tatsache, dass sich die Mediziner hier sehr sicher waren, was sie auf die Entwicklung der Blutwerte und meinem Allgemeinen Zustand zurückführen.
Für mich war es allerdings eine offene Frage, welche ich nicht wirklich bestätigt sah. Nun hatte ich endlich meine Antwort… Es dauert allerdings ein wenig, bis es endlich in meinem Kopf angekommen ist. Da gab es dann, mit etwas Verzögerung, ein Feuerwerk der Euphorie.
Teil eins war also geschafft!!!
In Teil zwei ging es um die Frage, wie sieht im Rest meines Körpers aus?
Hierzu wird wiederum ein PET CT gemacht und gehofft das nichts mehr leuchtet.
Ja, leuchtet. Auf dem Bildmaterial, welches bei dem CT gemacht wird, gibt es helle und dunkle Stellen. Ich will hier nicht zu sehr ins Detail gehen, wie genau dieses Verfahren funktioniert.
Fakt ist, um so dunkler die Aufnahme ist, desto besser. Bei meinen ersten Aufnahme gab es so einige Stellen in meinem Körper, die hell aufleuchteten. Fast alle diese Stellen waren ein Hinweis auf Lymphomzellen.
Die Untersuchung an sich war nicht wirklich aufregend. Man taucht dort nüchtern auf und bekommt eine Infusion mit schwach radioaktivem Kontrastmittel. Eine Infustionsnadel musste mir zum Glück nicht mehr gesetzt werden, da mein fest installierter Port, ich hatte an dem Tag ein etwas längeres Programm vor mir, zuvor schon angestochen wurde und er für die die Infusion geeignet ist.
Also rein mit der Infusion und eine Stunde warten und einwirken lassen.
Das Warten wird einem in sehr bequemen First Class Liegestühlen erleichtert. So ist die Stunde schnell rum.
In der „Röhre“ liegt man dann ca. 30 Minuten. Tja… und das war es auch schon!
Nach einer kurzen weiteren Wartezeit bekam ich dann das Okay, dass das Bildmaterial brauchbar ist und ich gehen kann.
Also auf zum weiteren Programm. Auf mich wartete noch eine Infusion mit Immunglobulinen zur Stärkung der Abwehr und danach mein Arzt. Ich musste also noch zwei Stunden warten, so lange dauert die Infusion, bis ich das Vorabergebnis von meinem Arzt bekommen sollte. Noch ein wenig Geduld…
Ohne lange weitere Wartezeit, wurde ich nach der Infusion auch schnell zu meinem Arzt hereingebeten. – Endlich geht auch mal was flott vonstatten. 😉
Und was kam jetzt bei der Untersuchung heraus??? – „Nun, wie nicht anders zu erwarten, konnten wir auf dem vorläufigen Ergebnissen keinen Hinweis auf Aktivitäten des Lymphoms feststellen!“ – „Puhhh, das klingt gut!“ – „Sie sind Rechtshänder oder?“ – „Öhm.. ja!?“ – „Man sieht auf dem Bildern ziemlich gut, dass Sie in letzter Zeit über Kopf gearbeitet haben.“ – „Ist das jetzt schlecht oder gut!?“ – „Das ändert nichts am positiven Befund.“ – „Ach so… dann is ja gut.“
Man muss wissen, dass ich mir eine Woche zuvor von meinem Arzt die Erlaubnis geholt habe, ein paar handwerkliche Dinge im Haus und an unserem Gartenhaus zu machen. Vieles davon habe ich über Kopf gemacht. Offensichtlich ist es so, dass meine Muskeln diese Art der Beanspruchung erst einmal verkraften müssen. Sprich ich hatte einen kleinen Muskelkater. Tja, und auch den sieht man auf den Bildern vom CT. Es bleibt aber auch gar nichts verborgen.
Egal… viel wichtiger war und ist natürlich die Aussage, dass die nichts gefunden haben!!!
Zwei Tage später hatte ich wiederum einen Termin zur Photopherese und zur Routineuntersuchung.
Das positive Ergebnis der Vorabbefunds, wurde hier dann nochmal endgültig bestätigt.
Was will man mehr! Mein eigentlicher Feind hat also das Feld geräumt. All die Vorarbeit und hat sich also ausgezahlt. Ein großer Teilsieg!
Damit der Rest auch noch gut wird, gilt es weiter am Ball zu bleiben.
Zwar kann ich nur einen Teil des Verlaufs beeinflussen, aber das was ich tun kann, werde ich natürlich nicht unversucht lassen.
Als nächstes steht auf dem Programm, meine Fitness und meine Beweglichkeit wieder auf Vordermann zu bringen. Hierzu suche ich mir jetzt erst einmal einen Physiotherapeuten der mich kontrolliert dabei unterstützt.
Ahh… wo ich gerade bei guten Nachrichten bin. Ich darf jetzt offiziell wieder Auto fahren.
Bis Dato durfte ich ja selber nirgends mit dem Auto hinfahren… zumindest nicht selber. Gut, wohin hätte ich auf fahren sollen!?
Sämtliche Fahrten zum Krankenhaus hatte ich mit dem Taxi zurückgelegt. Das wird aber auch erst einmal so bleiben.
Die Genehmigung für‘s Fahren gilt vorab nur für kurze Strecken. Aber immerhin, dass erweitert meinen Aktionsradius schon mal um 10 km. Tja und somit auch die Möglichkeit einen Physiotherapeuten in größerer Entfernung auszuwählen.
Die erste Fahrt, welche ich noch unter Aufsicht machten sollte, führte mich übrigens auf den Parkplatz des örtlichen Netto Supermarkts. Leider war das Glück auch schon wieder vorbei, denn rein darf ich in den Laden nach wie vor nicht.
Naja, eines Tages wird auch diese Barriere fallen.
Ihr seht also, es gibt trotz ein paar Rückschlägen, auch mal wieder etwas Positives zu vermelden.
So long… Patrick

So wird das Kontrastmittel vom PET CT transportiert. Man könnte fast lachen wenn sie dort die kleine Spritze mit dem eigentlichen Inhalt heraus holen.
Lieber Patrick, ich bin so froh über all die positiven Nachrichten. Danke, dass du uns auf dem Laufenden hältst. Fühl dich ganz doll gedrückt 😘