Tag Null
Ich habe Ihn bestimmt schon mal erwähnt. Der Therapieplan. Fünfzehn Seiten stark und sehr detailliert, was wann gegeben wird. Oder zumindest geplant ist. Dazwischen kann immer etwas kommen. Eine Infektion, Unverträglichkeit, oder oder oder.
Auf diesem Plan werden die Tage rückwärts gezählt.
Der Tag Null (03.07.) ist der Tag der Transplantation. Bedeutungsschwager und von der Anzahl der Punkte her, sehr kurz gehalten steht dieser auf Seite Fünfzehn.
Es sind gerade einmal drei Einträge, welche diesen so wichtigen Tag beschreiben.
- Wässerung per Infusion
- SZT
- Glucose per Infusion
Ah ja. Das ist es also? Mehr nicht? Ein wenig ungläubig schaut man da schon.
Der Tag verläuft also genau so, wie jeder Andere. Man merkt aber, ganz abgesehen vom eigenen Gemüt, dass dem nicht so ist. Jeder ist etwas aufgeregter, gesprächiger und freudiger Stimmung.
Man ist immer sehr bemüht, dass die Aufregung so klein wie nötig gehalten wird. Verbergen kann die Bedeutung aber niemand. – Du bekommst heute etwas geschenkt und es wird Dein Leben für immer verändern.
Vorsichtig fragt man dann doch… „Wann das Transplantat wohl eintrifft?“.
Irgendwann zwischen 15 und 16 Uhr sollte es dann soweit sein… angeblich. So genau kann das keiner sagen. Dazu wird immer bei der Stelle angerufen, die das Transplantat gewinnt. Als kleiner zusätzlicher Hinweis kam noch die Information hinzu, dass die Spende die Blutgruppe 0 hat.
Ich selber habe A+. Nun als universelles Blut, war die Blutgruppe 0 also gut geeignet. Da durch diese Spende mein Blutbildendes Organ ausgetauscht wird, ändert sich die Blutgruppe auch „gleich“ (3-4 Monate) mit.
Ich bin derart mit der Beobachtung jeglicher Schritte meiner Schwestern und Ärzte abgelenkt, dass ich eine völlig neue Person gar nicht wahrnehme. In aller Seelenruhe kommt sie rein und legt Ihre Handtasche ab. Ähh Handdtasche. Jetzt, ahhh wie peinlich. Es war meine richtige Schwester Vanessa. Sie hatte zwar gesagt, dass sie an diesem Tag zu Besuch sein wird, aber ich wusste nicht wann.
Schon am Vortag angereist, hatte Sie sich in einer Pension niedergelassen und den Vorabend mit guter Speis und entsprechendem Trank ausklingen lassen.
Entsprechend relaxed nahm Sie sich einen der Stühle setzte sich hin und sagte „Hallöchen Bruderherz. Und wie läuft‘s so…?“
Es war recht lustig anzusehen welche Ruhe sie mitbrachte. Nach ein paar Minuten war sie auch gleich im Gespräch mit allen Schwestern und Ärztinnen. Selber lange Intensivschwester gewesen und noch immer vom Fach, konnte ich natürlich nicht mehr viel zu diesen Gesprächen beitragen.
Was mir ganz recht war, nahm es mir doch ein Stück Anspannung.
Eigentlich war ich sehr müde und wollte das ein oder andere mal ein Nickerchen machen. Erpicht darauf aber nichts zu verpassen hab ich mich dann doch irgendwie wach gehalten. Hatte ich ja jetzt einen Gesprächspartner der mir dabei sehr geholfen hat.
Langsam kam die Information durch: 14.30 Uhr kommt das Transplantat!
Gut dachte ich mir. Ich werde jetzt doch etwas schlafen. Erstens halte ich es bis dahin sonst nicht mehr aus und zweitens konnte Vanessa dann auch mal wieder durch durch schnaufen und einen Café trinken. Mit Mundschutz ist das jetzt eher nicht so toll.
Pünktlich um 14.25 Uhr kam eine Schwester herein und meinte, dass das Transplantat jetzt angekommen ist und vorbereitet wird.
Um 14.35 Uhr wurde ich dann schon nervös, von Vanessa war noch nichts zu sehen und es sollte doch bald losgehen.
Nicht ganz fünf Minuten später stand sie dann auch wieder im Zimmer, etwas außer Atem.
Café Trinken kann manchmal ganz schön tückisch sein. Wenn der einfach nicht kälter werden will, is nix mit schnell mal trinken.
Es zeigte sich dann jedoch, dass es noch etwas dauern sollte.
Langsam wurde ich ungeduldig. Jedes mal wenn sich etwas an der Zimmertür tat, schreckte ich kurz auf und blickte hoffnungsvoll in Richtung Tür.
15.15 Uhr öffnete sich die Tür und meine Ärztin stand mit einem dicken Grinsen (ja das sah man sogar durch den Mundschutz) in der Tür.
In Ihrer Hand eine etwa DIN A4 große silberne Box. – „TADA – Es ist soweit. Hier ist Ihre Spende drin.“
Vanessa meinte nur, das wäre doch jetzt einen Trommelwirbel wert gewesen.
Ich raffte mich auf und saß nun deutlich aufrechter im Bett.
Die Box mit dem kostbaren Inhalt wurde auf den Tisch direkt am Fußende meines Bettes gestellt. Die Spannung war kaum auszuhalten.
Das Zimmer füllte sich mit immer mehr Personen. So war ich am Ende von sieben Frauen eingerahmt. Alle samt vom Fach, sei es als Schwester oder sei es als Ärztin. Manche waren da, weil sie tatsächlich aktiv etwas bei der Transplantation taten. Der Rest, also der Großteil, war neugierig und war selber teilweise noch nie bei so etwas dabei. Die Stimmung war auf jeden Fall sehr gelöst und erfrischend heiter.
Nun, eröffnete die Ärztin – „Wollen wir doch mal sehen was wir da haben.“
Sie öffnete den Deckel der silbernen Metallbox und präsentierte einen… Bluttransfusionsbeutel.
Der einzige Unterschied war tatsächlich, dass sich die Farbe dieses Inhalts in der Intensität des Rot unterschied und das er nicht ganz voll war. Ich habe schon sehr viele Blutkonserven gesehen. Eine solche Farbe war mir noch nicht untergekommen. Ich würde sie jetzt als lachsfarben beschreiben.
Die Farbe ergibt sich tatsächlich aus der Zusammensetzung der sehr hellen Stammzellen und einer geringen menge Restblut.
15.20 Uhr hing dieser Beutel an meinem Transfusionsständer.
„Verraten Sie uns bitte noch Ihren Namen und das Geburtsdatum!“ – Meinte die Ärztin
Pflichterfüllt wiederholte ich, was ich jedes mal gesagt habe, sobald mir etwas gegeben wurde, dass nur für mich bestimmt war. Seien es jetzt Medikamente, Chemos oder Blutkonserven.
„Patrick Elsing, 01.12.77“ – „Gut, dann wollen wir jetzt starten.“ so die Ärztin.
Der Infusionsschlauch wurde mit meinem ZVK verbunden.
15.25 Uhr wurde der Hahn geöffnet! Die Stammzellen tropften sehr langsam vom Beutel in den Tropf, lief den Schlauch hinunter und verschwand durch meinen ZVK in meinem Körper.
Es klingt unglaublich unspektakulär, nicht wahr? Technisch gesehen ist es das auch. Bis auf die Tatsache, dass ich hierbei an einem Herzmonitor hing um den Vorgang zu überwachen, ist es „lediglich“ eine Bluttransfusion.
Da tropfte er vor sich hin. Jener lachsfarbener, lang erwarteter, lebensrettender Saft. Aufwendigst gewonnen von einer guten Seele, welche die anstrengende und langwierige Prozedur der Stammzellen Produktion und Gewinnung, über sich ergehen ließ.
Dankbar empfange ich jeden Tropfen dieser edlen Spende. Tiefster Dank und vollster Respekt gehört Dir allein!
Zwar schweift mein Blick ab und an durch den Raum, man unterhält sich angeregt, der Raum leert sich langsam wieder, dennoch, immer und immer wieder schaue ich diesem einfachen Schauspiel zu. Will all dem meine Aufmerksamkeit schenken.
Innerlich werde ich immer ruhiger. Sämtliche Anspannung fällt ab und die Gewissheit wächst. Du hast es geschafft. Das kann dir jetzt niemand mehr nehmen. Alles was jetzt noch kommen wird und passieren könnte, ist für diesen Moment sehr klein geworden.
Ich habe gelernt, dass ein Weg, so schwierig er auch sein mag, nicht einfacher wird, wenn man Versucht ihn mit all seinen Fallstricken und Steinen immer komplett im Blick zu behalten. Mit weit nach vorne gerichteten Blick übersieht man, was direkt vor einem liegt. Man kennt den den ganzen Weg. Manchmal ist es sehr wichtig nach einem Teil der Strecke einfach kurz inne zuhalten, den Moment zu genießen und auch mal einen Blick auf den bis dahin zurückgelegten Weg zu wagen.
Ich für meinen Teil ziehe aus diesem Augenblick unglaublich viel Kraft und kann gestärkt den nächsten Schritt setzen. Es wird nicht einfach. Ich bin aber nicht soweit gegangen um jetzt nicht auch den Weg zu Ende zu gehen!
Nun das musste auch mal gesagt werden!
Die Transplantation lief auf jeden Fall noch bis genau 17.49 Uhr.
Keinerlei Komplikationen. Sämtliche Beteiligte waren zufrieden.
Zur Sicherheit hing ich dann noch eine Stunde am Monitor und wurde dann von sämtlichen Kabeln befreit.
Irgendwann sagte Vanessa nur – „Du siehst so unglaublich müde aus, schlaf endlich!“
Sie hatte Recht, ich war unsagbar müde.
Vorher musste ich allerdings noch einen Umschlag öffnen, welchen mir Vanessa Stunden zu vor überreichte mit den Worten… „Aber erst nach der Transplantation öffnen!“
Es war eine Geburtstagskarte! „Hey, ab heute hast Du zwei mal im Jahr Geburtstag“.
Schon wieder wurden meine Augen feucht – „Ja, stimmt! Das habe ich.“
Nicht lang nach der Verabschiedung von Vanessa viel ich in Morpheus Arme und sollte so schnell nicht wieder daraus erwachen.
So long… Patrick

Meine Schwester und ich direkt nach dem Start 
Langsam tropft es vor sich hin 
Yeahhh….
Hallo Patrick,
habe gerade erst deinen Eintrag lesen können – aber bereits zuvor die frohe Kunde vom ‚restart‘ vernommen. HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH ZUM neuen GEBURTSTAG von der Warendorfer Fraktion. Ab jetzt bitte nur noch nach vorne schauen. Alles wird Gut!!!
Wir kommen leider immer nur etwas verspätet zum Lesen aber wir werden ja von Kathi auf dem Laufenden gehalten. Ja grade hatte ich auch wieder etwas feuchte Augen, es war wirklich ein bewegender Augenblick!! So lange ersehnt und immer wieder rausgeschoben. Wir sind alle so glücklich dass es dir so verhältnismäßig gut geht und dass du so stark bist!!
Wir denken so oft an dich :-*
Hallo Patrick,
ich muss zugeben, ich hatte auch ein kleines Tränchen in den Augen, als ich deinen Bericht vom Tag Null gelesen habe. Nichtsdestotrotz freut es mich riesig, dass alles so gut geklappt hat und drück die Daumen, dass die nächsten Schritte genau so hervorragend über die Bühne gehen. Werde auf alle Fälle weiterhin deinen Blog verfolgen und freue mich auf neue Einträge von dir.
Alles Gute und behalte dir deine positive Stimmung weiter!!!
Hey,
ooh ich freu mich so für dich – wie immer wirkt alles von deiner Seite so unglaublich entspannt und positiv! Hoffentlich geht es so weiter…
Uuuund, wenn du den Rest weiter im Schlaf hinter dich bringst, kann ja eh nix mehr schief gehen!
LG, mach et jut und nimm alles mit was das Leben 2.0 mit sich bringt!
Bis bald!
Auch aus Beelen ganz liebe Glückwünsche zum neuen Geburtstag. Maria und Rolf
Ich freu mich im Stillen so für Dich ! Und auch, dass du so eine tolle Schwester hast !
Hi auch,
unglaublich, wie Du uns mit Deiner unendlichen Dankbarkeit und Deiner unfassbaren Gelassenheit uns mitnimmst!!!!
Du bist der Knaller.
Danke Patrick.
Dicken Drücker